Die Wirtschaftlichkeit der Nahwärme-Genossenschaft – Infoabend am 05.04.2022

Bericht von der Info-Veranstaltung am 5. April – von Sabine Drewes und Florian Bolk

Viel ist passiert seit dem Start der Kampagne für einen Nahwärme-Anschluss Ende August 2021, unter anderem starke Anstiege der Energie-, aber auch der Rohstoffpreise sowie der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der die Unabhängigkeit von russischem Erdgas ganz dringend auf die Tagesordnung gesetzt hat.

Wie sieht die Preisentwicklung der Genossenschaft vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Krisen aus? Das wollte das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von den Wirtschafts- und Rechtsexperten in Sachen Nachhaltigkeit aus Freiburg, Sterr-Kölln und Partner, wissen. Die Firma hat die Wirtschaftlichkeit der Nahwärmegenossenschaft noch einmal bewertet und die Kalkulation aktualisiert. Geschäftsführer Christian Schmidt stellte die Ergebnisse am 5. April im Haus Eichkamp vor. Eingeladen hatte die Nahwärme-Gruppe des AK Energie.


Förderszenarien und Preisentwicklung

Herr Schmidt betrachtete in seinem Vortrag hauptsächlich das Förderszenario nach der Bundesförderung effiziente Wärmnetze (BEW) bzw. Wärmenetze 4.0. Das ist gewissermaßen das konservative Szenario – die Alternative wäre eine Förderung im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative. Die NKI-Förderung zielt auf 80 – 100 % Förderung, dadurch wäre ein Vollkosten-Wärmemischpreis von 13,3 Ct brutto möglich. Hausanschlusskosten könnten entfallen, oder man erhebt den Anschlussbeitrag und senkt den Wärmemischpreis weiter ab.
Im BEW-Szenario bejahte Schmidt zunächst die Notwendigkeit der Preissteigerung bei der genossenschaftlichen Nahwärme auf einen Wärmemischpreis von 15,68 Ct/kWh brutto. SKP hatte dabei die zu erwartenden Preissteigerungen bis zum Baubeginn 2023 nach den Indizes des statistischen Bundesamtes berechnet. Die Hausanschlusskosten wurden als gleichbleibend angenommen. Herr Schmidt betonte aber, dass alle anderen Wärmelösungen, insbesondere fossile – Heizöl und Erdgas – noch erheblich mehr im Preis angestiegen seien. Man müsse bei Erdgas mit mindestens 22,98 Ct/kWh und bei Erdöl mit 26,54 Ct/kWh brutto Vollkosten innerhalb der nächsten 20 Jahre rechnen. Im Vollkostenvergleich aller Heizungserneuerungen schneide die Nahwärme am besten ab, auch gegenüber der Wärmepumpe. Hier entstand eine kleine Diskussion mit Ulrich Bogner, der einwarf, dass diese Berechnung die Sonderförderung der Wärmepumpe durch das Berliner Programm „Effiziente GebäudePLUS“ nicht berücksichtige, die zusätzlich zur Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG) gezahlt würde. Diesen Unterschied gibt es aber tatsächlich nicht: Im Programm „Effiziente GebäudePLUS“ wird der Anschluss an ein regeneratives Nahwärmenetz ebenfalls zusätzlich gefördert (Wärmepumpe mit 25 %, Wärmenetzanschluss 20% – wenn der Bestandskessel mehr als 10 Jahre alt ist). Das spielte in der Kommunikation des Nahwärmeanschlusses bis noch keine Rolle. Eigentümer*innen können davon ausgehen, dass sich damit ein Hausanschlussbeitrag von 12.000 € um ca. 2.000 € verringert.

Ein Joker: die Wärmeabnahme der Schulen

Eine weitere Frage, mit der Herr Schmidt sich im Rahmen seines Auftrages beschäftigt hat, war die, ob eine höhere Wärmeabnahme durch die Schulen eine wirtschaftliche stabilisierende Wirkung auf die Finanzen der Genossenschaft hat. Das brachte erstaunliche Erkenntnisse. Zum einen: Wenn die Schulen einen Arbeitspreis von 8 Ct/kWh netto zahlen, würde das selbstverständlich die finanzielle Situation der Genossenschaft stabilisieren. Mit der gegebene Erzeugerkonstellation und -kapazität (Biomassekessel, Luft-Wasser-Wärmepumpen, Pufferspeicher) wäre es möglich, den Schulen 250.000 kWh mehr Wärme zu verkaufen. Zum anderen: Die Schulen würden bei einem Arbeitspreis von 8Ct/kWh netto sogar sparen! Bisher war immer ein Arbeitspreis von 6Ct/kWh brutto als maximal möglicher Abnahmepreis genannt, da die Schulen ebenso wie andere öffentliche Liegenschaften in Berlin von günstigen Erdgaslieferverträgen profitieren. Da der Erdgaspreis aber auch hier steigen wird auf mindestens 8,4 Ct/kWh netto (und das noch ohne CO2-Preis), sparen die Schulen als genossenschaftliche Wärmekunden. Das wiederum hat positive Auswirkungen auf die Realisierbarkeit des Wärmenetzes, denn damit ist es möglich, die Gewichtung des notwendigen Wärmeabsatzes zwischen dem Quartier und den Schulen zu verschieben. Die Wärmemenge, die mit den zurzeit geplanten Kapazitäten erzeugt werden kann, beträgt ca. 3,3 Gigawattstunden (GWh). Dabei sollten bisher 3 GWh an die privaten Anschlussnehmer und nur 0.3 GWh an die Schulen geliefert werden. Wenn die Schulen konkurrenzfähige Preise zahlen (die für sie selbst sogar noch vorteilhaft sind), können bis zu 1,8 GWh von den Schulen abgenommen werden (Vollversorgung), das Quartier müsste nur von 1,5 GWh abnehmen. Das würde bedeuten, dass nur noch 70 Anschlussnehmer*innen benötigt werden um die Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten. Wenn es bei den 100 Anschlussnehmenden bleibt, könnte man die Erzeugerleistung noch erweitern, was insgesamt die Bezugskosten weiter senken würde. Denn die Erzeuger sind im Verhältnis zum Rohrnetz und den erforderlichen Tiefbauarbeiten nicht so teuer.

Diskussion

Die Schulen könnten also zu einem echten Game-Changer in diesem Szenario werden. Gunnar Thöle berichtete auch von einem Interesse des Bezirksamtes, welches die Schulgebäude verwaltet, an einer möglichen Versorgung durch Nahwärme. Es gäbe aber noch keine Zusage. Der anwesenden Stadtrat Arne Herz sprach sich eindeutig für einen Nahwärmeanschlusses der Schulen aus.
Auf die Frage, ob die Waldschule mit angeschlossen werden könne, wurde geantwortet, dass das Heizwerk modular geplant werde und in einem späteren Bauabschnitt eine Einbeziehung der Waldschule und von Häusern der Heerstraßen- Siedlung möglich wäre. Das sei aber wahrscheinlich nicht vor 2026 der Fall.

Auch Wärmepumpen als Alternativen waren Gegenstand der Diskussion. Nachbarn, die Angebote eingeholt haben, erwähnten die Nachteile der individuellen Wärmepumpen- Lösung: hohe Preise von leiseren Geräten (bei Luft-Wasser-Wärmepumpen), evtl. Genehmigungsverfahren wegen Lärm sowie Lärmemissionen im und am Haus. Uli Bogner betonte die Notwendigkeit alternativer Lösungen für die Nachbarn, die nicht an das Wärmenetz angeschlossen werden können. Sandeep Jolly hob die Wichtigkeit einer gemeinschaftlichen Lösung hervor wies und darauf hin, dass auch die Schulen/das Bezirksamt den Moment nutzen sollten, sich vom Erdgas zu lösen.